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U-Verlagerung "Kröte" - Projekt "A2c"


Geheimer unterirdischer Rüstungsbetrieb im Wiehengebirge


Unserer Teil der Geschichte über die U-Verlagerung "Kröte" beginnt im Jahre 1935, ein Jahr vor der Auffahrung der unterirdischen Räumlichkeiten in dem später ein geheimer Rüstungsbetrieb verlagert wurde.

Die Grube Porta, ein nicht ganz unbekanntes Eisenerzbergwerk im Wiehengebirge (hier gibt es einen eigenen Bericht über das Bergwerk) wechselte ihren Besitzer. Im Jahre 1935 wurde der florierende Grubenbetrieb von der Firma Klöcknerwerke AG übernommen. (Ja, genau die mit den Splitterschutzzellen) Zum besseren Absatz der geförderten Eisenerze, in diesem Fall Roteisenstein, plante die Firma Klöckner aus Osnabrück einen neuen Förderstollen mit Wasserrösche in das Sandsteingebirge zu treiben. Der neue Stollen wurde 1936 aufgefahren und vom Südhang her bis auf die untere Abbausohle, welche etwa 100 Meter unterhalb der Häverstädter Stollensohle lag/liegt, voran getrieben. Da der Stollen möglichst tief, fast auf Weserniveau angesetzt wurde, erhielt er den Namen Weserstollen. Das Stollenmundloch liegt auch direkt an der Weser.  

Bei einer Endlänge von 764 Metern kam der Weserstollen mit der unteren Abbausohle zum Durchschlag. Die bergmännischen Vortriebsarbeiten beim Stollenbau wurden von der Firma Rohde aus Dortmund durchgeführt. Gut 566 Meter des Weserstollens wurde doppelgleisig, also zweispurig ausgebaut, wobei der Förderstollen dort provisorisch mit hausdachförmigen Fertigbetonteilen zur Stoß- und Firstensicherung ausgekleidet wurde. In diesem längerem Abschnitt hat der Weserstollen fast eine Breite von 4,00 Metern und eine Höhe von immerhin noch 3,00 Metern. Also relativ geräumig für einen einfachen Förderstollen im Erzbergbau, oder? Der kürzere Teil des Stollens, also die restlichen 198 Meter war er etwas schmaler und für den eingleisigen Fahrbetrieb ausgebaut. Auch hier kamen wieder Betonfertigteile zum Einsatz, diesmal allerdings in Rundbogenform. Nachdem der Weserstollen fertig war, diente er einige Jahre zur Wetterführung, zur Eisenerzförderung und zur Wasserlösung der Grube Porta. Später, als die Bergauaktivitäten der Grube Porta mehr und mehr an den Nordhang des Wiehengebirges verlegt wurde, verlor der Weserstollen seine Bedeutung als einer der Hauptförderstollen. Er fungierte aber immer noch als wichtiger Wetter- und Wasserlösestollen der Eisenerzgruben im Wiehengebirge.


Weserstollenstrecke mit eingezogenen Mauern zur Untertage-Verlagerung


Obwohl der Weserstollen relativ klein war (zu klein für eine Untertage-Verlagerung - zu groß für einen Bergbaustollen) und nur begrenzte Möglichkeiten für eine unterirdische Rüstungsfabrik bot, besaß er doch einige Vorteile, so daß er schnell in das Visier des Reichsministerium für Rüstung und Kriegswirtschaft kam. Optimal für einen kleineren Rüstungsbetrieb bot der Weserstollen eine 1.000 prozentige Bombensicherheit bei einer Überdeckung von teilweise über 150 Metern, bestehend aus festem Sandsteingebirge. (Nur so am Rande: da Sandstein ein klastisches Gestein ist, welches aus Sedimentverkittung besteht und somit sehr Stoß- und Spaltsicher ist, war die vorgeschriebene Mindestüberdeckung von 15 Metern für den Bau von Untertage-Verlagerungen um das Zehnfache von Natur aus gegeben.) Das Stollenmundloch lag versteckt im Gelände zwischen Weser und Wiehengebirge und war somit leicht zu tarnen. Hinzu kam noch der vorhandene Gleisanschluss zum Materialtransport, sowie die natürliche Entwässerung in die Weser. Da der Weserstollen wie oben beschrieben komplett mit Beton ausgebaut war, bedurfte es lediglich nur wenig und kostengünstige Umbauarbeiten zur Untertage-Verlagerung.


Blick in die Transformatorenkammer der U-Verlagerung Kröte


Da es sich  bei dem Weserstollen um einen Altbergbaustollen, beziehungsweise um einen Bergbaustollen, also um einen vorhandenen unterirdischen Hohlraum handelte, wurde der Deckname der U-Verlagerung aus dem Fisch- und Amphibienbereich gewählt. Der Weserstollen bekam den Decknamen "Kröte". Das Projekt erhielt den Decknamen "A2c"

Im Schriftverkehr der SS-Sonderinspektion tauchte auch öfter mal ein dritter Tarnname, nämlich "Weserhütte" auf, gemeint war allerdings immer die U-Verlagerung Kröte. Die Projektnamen gibt es in diesen Falle nur, da es sich um sehr früh geplante Untertage-Verlagerungen handelte. Hier noch einmal die unterirdischen A-Projeke in Porta Westfalica:

Projekt A2 - U-Verlagerung Para

Projekt A2a - U-Verlagerung Stör 1

Projekt A2b - U-Verlagerung Stör 2

Projekt A2c - U-Verlagerung Kröte

Der erste Verlagerungsbetrieb, der in den Weserstollen einziehen sollte, war die Firma Philips Eindhoven, welche auf rund 3.000 qm Produktionsfläche Röhren und andere elektrische Teile bombensicher im Berg herstellen sollte. Zu diesem Zweck wurde der Weserstollen für alle weiteren bergbaulichen Aktivitäten seitens der Grube Porta am 18. September 1944 gesperrt und vom Rüstungsamt beschlagnahmt. Die Sicherstellung der Untertage-Verlagerung "Kröte" erfolgte am 11. Oktober.

Doch die Firma Philips Eindhoven benötigte viel mehr Platz, so das die erste Verlagerung in den Weserstollen bereits am 26. Oktober wieder aufgehoben wurde. Die Firma Philips zog darauf hin in das gegenüberliegende Wesergebirge, in den Jakobsberg ein. (U-Verlagerung Stör 1/ Projekt A2a)

Danach erfolgte die Neuplanung. Diesmal bekamen die Eiesenwerke "Weserhütte" aus Bad Oeynhausen den Zuschlag.  

Erneut wurde der Weserstollen gesperrt. Diesmal am 2. November 1944. Sichergestellt wurde die unterirdische Verlagerung etwa drei Wochen später am 25.11.1944. Das kriegswichtige Verlagerungsprojekt "Kröte" konnte nun mit mit einer aufgestockten Produktionsfläche von 5.000 qm in Angriff genommen werden. Unter der Leitung der OT-Einsatzgruppe III, Deckname Hansa, begannen nun die Ausbauarbeiten im Untertagebereich. Die U-Verlagerung Kröte hatte die Baunummer 34.

(In einigen Schriftstücken der OT-Gruppe 3 ist auch die Baunummer 343 (34(3)) vermerkt, wobei diese erweiterte Nummer sich auf das Geheimprojekt Weserhütte/A2c, dem zweiten Decknamen der Anlage bezieht.)

In dem gut erhaltenen Stollen wurden auch nur wenig Veränderungen durchgeführt. Auf der zweigleisigen Strecke im Weserstollen wurde ein Gleisbett entfernt und teilweise durch ein Betonfundament ersetzt. Unter der Firste wurde, ähnlich wie bei Untertage-Verlagerungen in Reichsbahntunneln, ein Brückenkran installiert. Angegliedert an den Stollen wurden zwei neue Räume geschaffen. Diese dienten als Materiallager und als Latrinenanlage der U-Verlagerung. Da sämtliche Maschinen in dem (Wetter-) Stollen untergebracht werden sollten, befürchtete man, dass diese sehr schnell in der feuchten und kühlen Luft rosten würden, so dass ein spezielles Belüftungssystem in den Bergbaustollen installiert werden musste. Ebenso eine Luftentfeuchtungsanlage war geplant, kam allerdings nicht zum Einbau. Viele Umbauarbeiten und Stolleneinrichtungen, wie zum Beispiel die Frischluftventilatoren am Stollenmundloch sowie die Lutten wurden von der Firma Gelsenkirchener Bergwerke AG errichtet. Die Stromversorgung der U-Verlagerung Kröte kam vom Umspannwerk in Porta. Die Starkstromleitungen verliefen durch den kompletten Stollen zur Trafostation am Stollenkopf im Bergesinneren und wurden nach Heruntertransformierung erneut den Maschinen, den Lichtquellen unter der Firste und den jeweiligen Arbeitsplätzen im Weserstollen zugeführt.


Der Weserstollen mit Lutten und Loren-Kübel aus dem Altbergbau


Der größte Teil der Firmen, welche am Umbau des Förderstollens beteiligt waren, kamen aus der näheren Umgebung. So zum Beispiel wurde die Firma Weber (Betonwerke Weber) mit dem Auskleiden der Stollenwände (Stöße) beauftragt. Der Vorteil an standortnahen Betrieben lag darin, dass die Anfahrtswege sehr kurz waren und somit der Nachschub an Material nicht ins Stocken geriet. Neben dem Betonwerk Weber, welches die Ausbausedimente in dem Stollen einbrachte, beziehungsweise verstärkte, war ebenso die Firma Bergbrede aus Barkhausen im Projekt A2c beschäftigt. Die eben genannte Firma erhielt den Zuschlag für alle anfallenden Tischlereiaufgaben auf der gesamten Baustelle.

Sämtliche beteiligten Firmen bekamen ihre laufenden Kosten und Löhne für die Arbeiter vom Reich erstattet. Ebenso das Architekturunternehmen Kraft und Burmeister aus der Hansestadt Hamburg, die die Planungsarbeiten für das Untertageprojekt Kröte übernahmen und die Bauaufträge an die jeweiligen Firmen weiter vergab. Insgesamt verschlang die doch relativ kleine Untertage-Verlagerung A2c fast 500.000 Reichsmark. Und das nur für die Umbaumaßnahmen im Weserstollen.

Nach dreimonatiger Umbauphase zog Anfang März die Firma Weserhütte in die Untertage-Verlagerung ein. Es dauerte noch einmal zwei Wochen, bis alle Maschinen untertage aufgebaut waren und der letzte Feinschliff getätigt war, ehe die eigentliche bombensichere Produktion mitte März 1945 anlaufen konnte.


Gestänge und Wasserrösche im Weserstollen


So wie fast alle geheimen A-Projekte im Dritten Reich, war die U-Verlagerung Kröte ein reiner Zuliefererbetrieb, was bedeutet, dass sie als Teilefertigung fungierte und zusammen mit anderen Untertage- und Übertage-Verlagerungen zusammen für eine Endfertigungsstätte arbeiteten. Gerade im Panzer- und Flugzeugbau war es üblich die Standorte der Produktionsstätten zu streuen und am einem anderen geheimen Ort wieder zusammenzubauen zu lassen. Der Vorteil bestand darin, dass die deutsche Rüstungsproduktion so deutlich weniger verwundbar war. Wurde eine Produktionsstätte entdeckt, bombardiert oder gesprengt, fiel nur ein kleines Rädchen im System aus, welches schneller wieder ersetzt oder neu aufgebaut werden konnte, als der gesamte Produktionsapparat des Deutschen Reichs.    


Abortkammer der Untertage-Verlagerung Kröte


Wie der Name "Eisenwerke Weserhütte" schon vermuten lässt, handelte es sich um einen Betrieb der Metallverarbeitung, der nun  von Bad Oeynhausen in die U-Verlagerung "A2c" einzog. Die Produktion unter Tage konzentrierte sich nun hauptsächlich auf Geschützrohre und Lafetten der 8.8. Flak (Flugabwehrkanone), sowie für die Pak 43 (Panzerabwehrkanone) ebenfalls mit dem Kaliber von 8,8 Zentimetern. Neben der Weserhütte wurde die Pak 43 auch von den Firmen Krupp AG in Essen und den Henschel-Werken aus Kassel hergestellt. Zudem wurden auch Getriebeteile wie Pleuelstangen, Drehkränze und Fahrwerksteile für Panzer und gepanzerte Kampfwagen in der geheimen Untergrundanlage hergestellt.


Gegründet wurde das Eisenwerk Weserhütte im Jahre 1844 von Albrecht Kuntze und Christian Pottharst. Die ursprünglich noch kleine Firma stellte in kleinem Rahmen Herdteile, Kessel, Töpfe und Landwirtschaftliche Gerätschaften her.  

Nach dem Tod von Pottharst wurden umfangreiche Erweiterungsmaßnahmen der Eisenhütte durchgeführt. Nach mehreren Umstrukturierungen entwickelte sich der Betrieb anfang 1900 zu einem wichtigen Hersteller für Bagger (Löffelbagger, Eimerkettenbagger, Schwimmbagger, usw...) und Bergbaugeräte wie Brecher, Förderbänder, Feld- und Grubenbahnen,  Tiefbohrgeräte und Schiffsentladeeinrichtungen. Nachdem die Weserhütte während des Zweiten Weltkriegs ein Teil der deutschen Rüstungsindustrie war, wurde das durch alliierte Bombenangriffe eh schon stark zerstörte Eisenwerk nach dem Krieg zunächst demontiert. Doch das Unternehmen konnte sich im sogenannten deutschen Wirtschaftswunder der 50er und 60er Jahre soweit erholen und expandieren, so dass die Weserhütte einer der deutschen Marktführer in dem Bereich Baggerhersteller wurde. Bis zum Jahre 1987 - dann ging die Firma in Konkurs. Heute befindet sich auf dem ehemaligen Gelände der Weserhütte das große Einkaufszentrum Werre-Park.


Lichtspiele in der ehemaligen U-Verlagerung Kröte


Neben den deutschen werkseigenen Arbeitskräften der Firma Weserhütte AG, die größtenteils nur die Anleiter- und Vorarbeiterfunktion übernahmen, bestand der überwiegende Teil der im Berg eingesetzten Hilfskräfte auch in diesem Fall aus Zwangsarbeitern. Untergebracht waren die Häftlinge im "Lager Barkhausen", einem Zwangsarbeiterlager am Fuße des Wiehengebirges nahe des Hotels Kaiserhof in Porta, gelegen direkt an der Weser. Das Lager Barkhausen war ein Aussenlager des Stammlagers Neuengamme bei Hamburg und hatte den Decknamen "Aussenlager A2"

Der SS-Führungstab war unter Anderem auch in dem Hotel Kaíserhof selber, an der heutigen B61 eingezogen. Die Leitung und Befehlsgewalt unterlag dem damaligen Lagerkommandanten SS-Rottenführer Hermann Rau. Das KZ-Außenlager A2 beherbergte (teilweise) auch die Arbeitskräfte für die anderen U-Verlagerungen im Wiehengebirge und dem gegenüberliegendem Wesergebirge. Insgesamt gab es drei große und mehrere kleinere Zwangsarbeiterlager in Porta.

Im Herbst 1944 waren rund 1.400 Häftlinge im Lager Barkhausen untergebracht. Für diese standen allerdings nur 700 Betten, vierstöckig aufgestellt, zur verfügung. Geschlafen wurde also im Rotationsbetrieb, bzw. -Prinzip. Verschlissene, verdreckte Strohsäcke und Decken mussten für die Zwangsarbeiter reichen. Zudem kam noch die unzureichende Ernährung und die schwere körperliche Arbeit. Die Häftlinge gingen zu Fuß zur Arbeit und mussten Tag und Nacht in 12-Stunden-Schichten arbeiten. Hinzu kamen noch die ewig lange dauernden Apelle vor und nach der Arbeitsschicht, so dass ein Tag schon über 16 Stunden dauerte, ehe der arme Häftling endlich zur Ruhe kam und seine karge Essensration zu sich nehmen konnte. Die Tagesschicht dauerte von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr, die Nachtschicht von 19.00 Uhr bis 7.00 Uhr. Gewechselt wurde jeweils am Sonntag. Es versteht sich von selbst, dass der Mensch so sehr schnell am Ende seiner Kräfte angelangte.

Wer längere Zeit krank oder Arbeitsunfähig war, wurde kurzerhand "entsorgt" und mittels Sammeltransporte wieder nach Neuengamme oder Bergen-Belsen zurück geschickt. Ebenso die Sterbensrate unter den Häftlingen war enorm hoch. Es sind zwar keine genauen Daten bekannt, aber man geht davon aus,

dass etwa 500 Menschen im Zwangsarbeiterlager Barkhausen und den angegliederten Untertage-Verlagerungen den (unnötigen) Tod fanden.


Bahnhof Porta Westfalica unter Tage


Die unterirdische Rüstungsproduktionsstätte "Kröte" existierte noch nicht mal einen Monat lang. Schon am 01.04.1945, es war der Ostersonntag, lösten sich die drei großen Lager an der Porta langsam auf und die Gefangenen wurden zum größten Teil wieder abtransportiert. Die Produktion in der U-Verlagerung Kröte verlief von da ab nur noch stockend, ehe das Kriegsende dem Vorhaben ein jehes Ende setzte. Die Eisenwerke Weserhütte AG gelangte danach sehr schnell auf die Demontageliste (das Stammwerk in Bad Oeynhausen sowie das Zweigwerk im Weserstollen), so dass alle Maschinen von den Alliierten beseitigt wurden.


In Richtung Stollenmundloch säuft der Stollen immer mehr ab


Der Weserstollen dient heute immernoch zur Entwässerung der stillgelegten Grube Porta. Das ursprüngliche Stollenmundloch wurde im Rahmen von Straßenbauarbeiten komplett beseitigt. Der Stollen und die Rösche stehen heute zudem fast vollständig unter Wasser und enden in der Weser, und zwar unterhalb des Wasserspiegels. Von der U-Verlagerung Kröte sind noch einige wenige Relikte erhalten geblieben. Das Gestänge, die Latrinen, das Lager und die Trafostation schlummern noch immer tief unter der Erde im Wiehengebirge vor sich hin...


Schreibmaschine: Sir Ollrich von Teutoburg (Eismann)

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Danke an die Herren Altbergbau, Bergmann, Turnschuhbefahrer und Ghost...