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unterirdische rüstungsproduktion in wort und bild

 
 

U-Verlagerung "Schlammpeitzger"


Die Geschichte der U-Verlagerung Schlammpeitzger begann schon im April 1944. Mitglieder der OT-Einsatzgruppe Rhein-Ruhr und der OT-Oberbauleitung Siegburg besichtigten das stillgelegte Bergwerk. Die Überprüfung der Stollen ergab, daß das Bergwerk für eine unterirdische Rüstungsfabrik geeignet war. Die Abbaufelder bestanden aus riesigen, bis zehn Meter hohen und 100 Meter breiten Hallen. Die unterirdischen Räume und Stollen waren sehr trocken und hatten eine Ausdehnung von über 100.000 m². Die Bedingungen waren also sehr günstig. Die OT-Einsatzgruppe III (Essen) /Rüstungsinspektion VI (Münster) leitete umgehend die Umbaumaßnahmen ein, so daß der Umbau des Bergwerkes noch im selben Monat begann. Die Kostruktionsnummer war 202. Die im benachbarten Linz ansässige Firma Rhein-Basaltindustrie übernahm die Bauausführung. Die erste Starkstromversorgung, die lediglich zum Umbau diente, kam aus Königswinter. Die endgültige Versorgung von Starkstrom wurde später, nach dem Einbau von der Stominstallationen wie Trafos und Leitungen, über das Netz von Ittenbach in die Fabrik eingespeist. Ebenfalls aus dem Raum Ittenbach und Ölberg wurde die Wasserversorgung der Anlage gewährleistet. Für die Einbauten der Wetterführung war die Firma Rudolf-Otto-Meyer aus Düsseldorf zuständig. Auf dem Bergrücken, oberhalb der Stollenmundlöcher wurde ein Barackenlager für die Arbeiter errichtet.


Befahrer im Altbergbau


Treppe zwischen zwei Sohlen in den Ofenkaulen


Eismann vor einem gesprengten Pfeiler in der U-Verlagerung Schlammpeitzger


Der Ausbau zur Untertage-Verlagerung wurde in zwei Etappen durchgeführt. Der erste Teil der Anlage war mitte August 1944 fertig. Der Zweite Bauabschnitt der rund 20.000 m² grossen U-Verlagerung war mitte November fertig. Von dem Haupteingang (Stollenmundloch Nr. 38) wurden die Gestänge einer Schmalspurbahn bis hin zu den Fabrikhallen gelegt. Dieses geschah schon direkt am Anfang der Umbaumaßnahmen. Zunächst nutzte man die Loren zur Abraumbeseitigung. Danach um den Beton für die Stützpfeiler und die Sohle zu transportieren. Später wurden mittels der Gleisanlage die Arbeitsgeräte und die schweren Maschinen in das Werk gebracht. Und letztendlich diente die Schmalspurbahn zum Transport der benötigten Rohstoffe und Materialien zur Fabrik hin und natürlich zum Ausfahren der fertigen Bauteile aus dem bombensicheren Rüstungswerk. Zur Be,- und Entlüftung der Hallen nutze man zwei schon aus dem Bergbaubetrieb vorhandene Schächte. Der sich am Ende der Stollenstrecke befindliche Ausziehschacht diente zur Abführung der matten Wetter. Der Schacht in der Nähe vom Stollenmundloch dient zur Ansaugung der frischen Wetter. Zusätzlich schuf man einen Durchschlag zum benachbartem Bergwerk. Dieses wurde zum Teil als Lager genutzt, diente ebenfalls der Wetterführung und man schuf sich mit dem Durchbruch einen Notausgang (Stollenmundloch Nr. 33) aus dem Rüstungswerk.


Irgendwo muss doch der Haken sein


Gesprengte Hallen in der Untertage-Verlagerung


Gestänge in der U-verlagerung Schlammpeitzger


Während der Umbauphase war das Stollenmundloch und der Eingangsbereich mit einem Tarnnetz überspannt worden. Auch in der Produktionsphase wurde das eh schon schwer zu erkennende Stollenportal zusätzlich noch abgetarnt. Ladevorgänge konnten also in aller ruhe vor dem Stollen abgewickelt werden, ohne das die Gefahr bestand, aus der Luft entdeckt zu werden. Die unterirdische Rüstungsfabrik nahm nur einen kleinen Teil der Ofenkaulen ein. Nur in der obersten Stollensohle, einige hundert Meter im Inneren des Berges teilten sich die Firmen Aero-Stahl Flugzeugbau und Klöckner-Deutz Feinbau GmbH die rund 20.000 m² große U-Verlagerung Schlammpeitzger. Beide Firmen stammten aus Köln am Rhein. Nachdem die Stollensohle mit Estrich ausgelegt worden war, die Heizungsanlage errichtet, die Beleuchtung installiert, die Wetterführung betriebsbereit und der Maschinenpark auf dem waagerechtem Betonboden aufgestellt war, nahm die Firma Aero-Stahl als erste ihren Betrieb im August 1944 auf. Die zuvor in Köln-Porz ansässige Firma stellte seit 1939 Flugzeugmotorenteile her. In der Untertage-Verlagerung "Schlammpeitzger" wurden zwischen August 1944 und März 1945 Kleinteile wie Druckventile, Dichtungsringe und Einspritzdüsen für Deckel-Einspritzpumpen produziert. Diese Teile fanden in den Flugzeugmotoren (BMW M 801) der Fw 190 verwendung. Konstruiert wurden die aus zahlreichen Präzisionsteilen bestehenden Einspritzpumpen von der Firma Deckel aus München. Auch die Firma Klöckner-Deutz Feinbau bezog im Dezember 1944 ihren Teil der unterirdischen Fabrikhallen und begann mit der Produktion. Sie stellte ebenfalls Kleinteile für die Brennstoff-Einspritzpumpen der Flugzeugmotoren her. Die einzelnen Abteilungen der Fabrik waren mit Trennwänden unterteilt und in Produktionsabschnitte gegliedert. Die U-Verlagerung Schlammpeitzger hatte keinen Bahnanschluss. Dieses war auch nicht nötig, da zur Produktion von Pumpenteilen keine größeren Güter und Rohstoffe benötigt wurden. Auch die fertigen Produkte nahmen nicht viel Platz in anspruch, so daß auch diese mit Lastkraftwagen transportiert werden konnten.


Absturzgefahr - überall


Gesprengte Zwischendecke in den Ofenkaulen


Nochmals der gesprengte Stützpfeiler in der U-Verlagerung Schlammpeitzger


Zwischen Altbergbau und Untertage-Verlagerung


Die Arbeiten an den Maschinen wurden wie in anderen untertägigen Rüstungsfabriken auch von Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern durchgeführt. Die OT hatte auf dem Berg ein Barackenlager für die Arbeiter errichtet. Ein Weg führte neben dem Haupteingang den Berg hinauf zu dem Lager. Das Gefangenenlager war in drei Abschnitte unterteilt. Im östlichen Teil waren die italienischen Arbeiter, welche die größte Gruppe bildeten, untergebracht. In der Mitte des Lagers lebten die belgischen, tschechischen, russischen und holländischen Arbeiter. Am anderen Ende des Lagers befanden sich die Unterkünfte der Wachmannschaften und der Facharbeiter. Insgesamt bestand das Lager Ofenkaule aus etwa 300 Personen.Die Baracken auf dem umzäunten Gelände waren niedrig gebaut und beherbergten je 15 Personen. Jede Baracke hatte einen eigenen Zugang, Tisch und Ofen. Der Lageralltag sah hier auch nicht anders aus als in anderen Außenlagern. Es gab zu wenig zu Lebensmittel, die hygienischen Bedingungen ließen sehr zu wünschen übrig und die Kleidung war mehr als unzureichend. Die Kälte und der Hunger waren ein Hauptgrund für die körperliche Entkräftung der Gefangenen. Dazu kam noch die Arbeit in den Stollen. Eine Schicht dauerte von morgens 6 Uhr bis Abends um Sechs Uhr. Die ganzen 12 Stunden war man dem ohrenbetäubenden Lärm der Maschinen ausgesetzt. Gearbeitet wurde jeden Tag. Nur am Sonntagvormittag hatten die Häftlinge Zeit, um sich und ihre Klamotten in einem nahegelegenen Bach zu waschen. Das Eingangsportal von dem Aerostahlstollen wurde von den Arbeitern Drachenmaul genannt. Gegen Kriegsende kam die Produktion immer wieder ins stocken. Schuld daran war der nun immer öfter eintretene Stromausfall. Da die Bewetterung nicht mehr einwandtfrei funktionierte, stieg die Luftfeuchtigkeit in den Produktionshallen dermaßen schnell an, so das die Produktion gegen Ende März 1945 auf Null zurück fiel. Anfang April gaben die Deutschen das Werk auf und setzten sich ab. Zur gleichen Zeit zogen immer mehr Bürger in die Ofenkaulen ein, um vor den Bombenangriffen Schutz zu suchen. Andere hatten ihr Heim bereits verloren und zogen ebenfalls in die Stollen des Bergwerks ein. Am 6. März 1944 bezog noch ein deutsches Heereskommando ein Teil der Ofenkaulen. In einem abgetrennten Stollensystem war für kurze Zeit eine Fernmeldeeinheit stationiert. Diese Stollen (Stollenmundloch 36 und 37) waren für die Arbeiter absoluter Sperrbezirk. Doch schon nach einigen Wochen packe das Heer wieder zusammen und verließ die Stollen, da auch sie ohne Strom nicht arbeiten konnten. Das Endgültige Ende der U-Verlagerung Schlammpeitzger war im April 1945. Die Amerikaner befreiten die Gefangenen, durchsuchten die verlassene Rüstungsfabrik und besetzten die Stadt Königswinter am Rhein. Im Oktober 1947 versuchte ein Sprengkommando der Alliierten die Untertageanlage zu sprengen. Dieses gelang allerdings nicht.

© u-verlagerungen.de, 2018 // Fotos von Svenska und Eismann


Bacchus, der Weingott - eines der viele Reliefs in den Ofenkaulen / Schlammpeitzger